Adoptionskosten keine außergewöhnlichen Belastungen
Entstehen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, können diese im Rahmen des § 33 Abs. 1 EStG steuermindernd geltend gemacht werden.[1] Zwangsläufig entstehen Aufwendungen, wenn man sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Bei Krankheitskosten geht der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sie zwangsläufig in diesem Sinne erwachsen. Allerdings werden nur Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen.[2] Insoweit können Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung bei Empfängnisunfähigkeit einer Frau oder Zeugungsunfähigkeit eines Mannes Krankheitskosten darstellen.[3]
Das Finanzgericht Münster[4] hatte aktuell in einem Fall zu entscheiden, in dem ein ungewollt kinderloses Ehepaar nach mehreren gescheiterten Kinderwunschbehandlungen zwei Kinder adoptierte und die damit verbundenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Das Gericht hat unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs[5] entschieden, dass Adoptionskosten nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind.
Adoptionen sind mangels medizinischer Indikation keine Heilbehandlung und können einer solchen auch nicht gleichgestellt werden. Vielmehr sind sie in erster Linie Maßnahmen zur Begründung rechtlicher Verwandtschaftsverhältnisse, die auf dem freiwilligen Entschluss beruhen, Kinder anzunehmen. Ferner sind Adoptionskosten nicht zwangsläufig erwachsen. Der Entschluss zur Adoption beruht – auch nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung – auf einer eigenen, vom Willen getragenen freien Entscheidung, die ungewollte Kinderlosigkeit nunmehr durch die Adoptionen zu beenden. Diese Entscheidung war der individuellen Gestaltung der Kläger nicht entzogen, denn sie hätten sich auch gegen eine Adoption entscheiden können.
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, da der VI. Senat des Bundesfinanzhofs in einem Vorlagebeschluss an den Großen Senat angekündigt hat, Aufwendungen für eine Adoption als außergewöhnliche Belastungen anerkennen zu wollen.[6]
[1] Zur Berücksichtigung der zumutbaren Belastung siehe § 33 Abs. 3 EStG.
[2] Vgl. BFH-Urteil vom 02.09.2010 VI R 11/09 (BStBl 2011 II S. 119).
[3] Vgl. BFH-Urteile vom 17.05.2017 VI R 34/15 (BStBl 2018 II S. 344) und vom 05.10.2017 VI R 47/15 (BStBl 2018 II S. 350); siehe auch Informationsbrief Juli 2024 Nr. 6.
[4] FG Münster vom 25.06.2024 14 K 1085/23 E.
[5] Vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 10.03.2015 VI R 60/11 (BStBl 2015 II S. 695).
[6] BFH-Beschluss vom 18.04.2013 VI R 60/11 (BStBl 2013 II S. 868).