Erbschaftsteuerbefreiung für „Familienheim“: Verzögerte Selbstnutzung durch die Erben
Wird eine durch den Erblasser selbst genutzte Immobilie (Einfamilienhaus, Eigentumswohnung) an den überlebenden Ehegatten oder (bis zu einer Wohnungsgröße von 200 m2) an Kinder vererbt, kann dieser Vorgang erbschaftsteuerfrei bleiben. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist insbesondere, dass der Erbe dieses sog. Familienheim nach dem Erbfall mindestens 10 Jahre selbst bewohnt. Ist dies nicht der Fall, kann die Befreiung auch rückwirkend wegfallen. Eine Ausnahme gilt, wenn der Erbe aus „zwingenden Gründen“ (z. B. bei einer Pflegebedürftigkeit) an der Selbstnutzung gehindert ist.[1]
Insbesondere bei Kindern, die beabsichtigen, in das geerbte Familienheim einzuziehen, und zu diesem Zweck zuvor Umbauten oder Renovierungen vornehmen wollen bzw. müssen, kann die Frage eine Rolle spielen, ab wann eine (tatsächliche) Selbstnutzung spätestens vorliegen muss. Das Gesetz schreibt hier lediglich vor, dass die Wohnung beim Erben „unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt“ sein muss.[2]
Nach bisheriger Rechtsprechung[3] ist bei einem Einzug innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall die „Unverzüglichkeit“ regelmäßig noch gewahrt. Nach Ablauf dieses Zeitraums muss der Erbe für die Inanspruchnahme der Begünstigung glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung als Familienheim entschlossen hat, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Ein Überschreiten des 6-Monats-Zeitraums aufgrund von Renovierungsarbeiten an der Wohnung kann nur unter besonderen Voraussetzungen unschädlich sein, z. B. wenn ein gravierender Mangel der Wohnung vorliegt, der erst während der Renovierung entdeckt wird.
Das Finanzgericht Düsseldorf[4] hatte aktuell einen Fall zu entscheiden, in dem die Tochter nach Abschluss erheblicher Renovierungsarbeiten (erst) 18 Monate nach dem Erbfall in das Familienheim eingezogen war.
Das Gericht sah hier keinen Ausnahmetatbestand in Form gravierender Mängel der Wohnung gegeben; im Streitfall handelte es sich vielmehr um reguläre Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten, die bereits unmittelbar nach dem Erbfall erkennbar waren. Das verzögerte Ausräumen und die Renovierung der Wohnung seien Umstände, die im Einflussbereich der Erbin lägen. Ein Verweis auf die hohe Auslastung im Baugewerbe ließ das Gericht ebenfalls nicht gelten, da diese „vorhersehbar“ gewesen sei und entsprechende Angebote frühzeitig hätten eingeholt werden können. Die erste Besichtigung durch einen Handwerker ist im Urteilsfall erst ca. 5 Monate nach dem Erbfall erfolgt.
Auch die vorübergehende Verhinderung der Erbin bei der Bauüberwachung aus gesundheitlichen Gründen sei unerheblich, da diese Tätigkeit – so das Gericht – von ihrem Ehemann hätte übernommen werden können. Da keine „besonderen“ Gründe für die Verzögerung des Einzugs in die Wohnung im Streitfall vorlagen, versagte das Finanzgericht die Steuerbefreiung für das Familienheim.
Es ist schwierig, danach eine Handlungsempfehlung zur Vermeidung einer schädlichen Verzögerung der Selbstnutzung zu geben. Besonders wichtig ist allerdings, möglichst darauf zu achten, dass so frühzeitig wie möglich Baufirmen, Handwerker, Bausachverständige usw. angesprochen und entsprechende Angebote eingeholt werden, um so ggf. zu dokumentieren, dass Verzögerungen nicht selbst zu vertreten sind.
[1] Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG sowie R E 13.4 Abs. 2 ErbStR.
[2] Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG.
[3] Siehe BFH-Urteile vom 23.06.2015 II R 39/13 (BStBl 2016 II S. 225) und vom 28.05.2019 II R 37/16 (BStBl 2019 II S. 678).
[4] FG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2021 4 K 2245/19 Erb.