Private PKW-Nutzung: Widerlegung des Anscheinsbeweises

Private PKW-Nutzung: Widerlegung des Anscheinsbeweises

Die private Nutzung eines PKW, der zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, ist für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises[1] (zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatz­steuer) anzusetzen. Alternativ kann die Privatnutzung mit den durch Belege und ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesenen tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden.[2]

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden (Beweis des ersten Anscheins).[3] Das gilt nicht für Fahrzeuge, die für den privaten Gebrauch nicht geeignet sind, wie z. B. Werkstattwagen.[4]

Der Anscheinsbeweis kann jedoch durch einen Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Dabei muss nicht nachgewiesen werden, dass keine Privatnutzung des betrieblichen PKW stattgefunden hat; es reicht vielmehr aus, „dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernst­hafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt“.[5]

Das Finanzgericht Niedersachsen[6] hat die Anforderungen für eine Erschütterung des Anscheinsbeweises präzisiert. Danach reicht die Verfügbarkeit eines weiteren (privaten) PKW allein allerdings nicht aus; die Fahrzeuge sollten darüber hinaus hinsichtlich ihres Gebrauchswerts mindestens ähnlich sein. Hierbei sind Umstände wie Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit, Ausstattung und Status (Prestige) zu berücksichtigen. Im Streitfall konnte ein alleinstehender Gewerbetreibender mit einem neuen Fiat Doblo Easy 2.0 16 V Multijet im Betriebsvermögen den Anscheinsbeweis der privaten Nutzung des PKW erschüt­tern; er nutzte für Privatfahren einen älteren privaten Mercedes C 280 T. Das Gericht hielt die Fahrzeuge in Status und Gebrauchswert für vergleichbar. Der Mercedes war zwar älter, hatte aber die höherwertigere Ausstattung und einen höheren Prestigewert, sodass für den Fiat keine Privatnutzung anzusetzen war.


[1] Zu den Vergünstigungen für Elektro- und Hybridfahrzeuge siehe § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 5 EStG.

[2] Vgl. dazu § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

[3] Siehe z. B. BFH-Urteil vom 04.12.2012 VIII R 42/09 (BStBl 2013 II S. 365).

[4] BFH-Urteil vom 18.12.2008 VI R 34/07 (BStBl 2009 II S. 381).

[5] Vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2006 VI R 19/05 (BStBl 2007 II S. 116).

[6] Urteil vom 19.02.2020 9 K 104/19.

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