Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung?
Aufwendungen im Zusammenhang mit der Führung eines privaten Rechtsstreits können regelmäßig nicht im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen steuerlich geltend gemacht werden. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind allerdings Prozesskosten, die entstehen, wenn der Steuerpflichtige Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung[1] hat das Finanzgericht München[2] entschieden, dass die Existenzgrundlage nicht mehr nur materiell, sondern auch immateriell (z. B. bei Verlust psychischer oder ideeller Bedürfnisse) zu verstehen sei.
Im Urteilsfall stritten die Eltern einer Tochter um das Umgangsrecht des Vaters. Nach Auffassung des Gerichts betreffe die elterliche Sorge nicht nur die Vermögenssorge, sondern auch die Sorge für die Person des Kindes; insofern bestand zum Schutz des Kindeswohls eine Verpflichtung zur Führung des Umgangsrechtsstreits. Nach Ansicht des Gerichts sei ein Kernbereich des menschlichen Lebens, nämlich die Gefährdung des Kindeswohls, betroffen. Daher konnten die entsprechenden Prozesskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen – unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung[3] – berücksichtigt werden.
Darauf hinzuweisen ist, dass gegen das Urteil Revision[4] eingelegt wurde; die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hierzu bleibt abzuwarten.
[1] Zur Berücksichtigung von Scheidungskosten vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16 (BStBl 2017 II S. 988); siehe auch Informationsbrief Oktober 2017 Nr. 2.
[2] Urteil vom 7. Mai 2018 7 K 257/17 (EFG 2018 S. 1960).
[3] Siehe § 33 Abs. 3 EStG.
[4] Az.: VI R 27/18.