Nachzahlungszinsen verfassungswidrig? Erhebung ausgesetzt
Steuernachzahlungen bei der Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer sind zu verzinsen; die Verzinsung beginnt regelmäßig nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Veranlagungszeitraums (§ 233a Abgabenordnung). Auf den Grund für die Steuernachzahlung kommt es dabei nicht an. Betroffen sind – aufgrund der 15-monatigen Karenzzeit – insbesondere Nachzahlungen nach Außenprüfungen. Der Zinssatz beträgt 0,5 % monatlich, also 6 % jährlich (§ 238 Abs. 1 AO). Da der gesetzlich festgelegte Zinssatz inzwischen erheblich vom Marktzinssatz abweicht, hat der Bundesfinanzhof[1] ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Zinsen geäußert. Betrafen diese Zweifel zunächst nur Jahre ab 2015, hat das Gericht diese inzwischen auf Jahre ab 2012 ausgedehnt.[2]
Die Finanzverwaltung[3] hat auf die Bedenken reagiert. Danach werden zwar weiter Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat festgesetzt; wird gegen die Festsetzung allerdings Einspruch eingelegt, wird auf Antrag die Vollziehung der Zinsen zunächst ausgesetzt. Dies gilt für Verzinsungszeiträume ab April 2012. Betroffen sind sowohl die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO als auch Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen. Für Verzinsungszeiträume vor April 2012 kommt eine Aussetzung nur in besonderen Fällen in Betracht.[4]
Nun ist abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Sollte es den Zinssatz für unrechtmäßig halten, könnte dies die Unwirksamkeit aller Zinsfestsetzungen zur Folge haben. Um von einer solchen Entscheidung profitieren zu können, ist es erforderlich, dass die Zinsfestsetzungen durch Einspruch angefochten werden, damit die Bescheide nicht bestandskräftig werden.
[1] Beschluss vom 25. April 2018 IX B 21/18 (BStBl 2018 II S. 415).
[2] BFH-Beschluss vom 3. September 2018 VIII B 15/18 (BFH/NV 2018 S. 1279) zu Aussetzungszinsen.
[3] BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2018 – IV A 3 – S 0465/18/10005-01 (BStBl 2018 I S. 1393).
[4] Die Vollziehung muss für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben und es muss ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers zu bejahen sein.